Eine Reise, die ist lustig

» gepostet am Datum22.04.07 um Zeit21:32 Uhr

Bis zum Nachmittag hat mein Optimismus überlebt. Er hat überlebt, dass wir um 7 Uhr früh an der Busstation angekommen sind, der Bus um acht fahren sollte, um neun immer noch kein Bus zu sehen war, um zehn endlich mal ein Bus da war und dieser erst um halb 11 abgefahren ist. Er hat die erste Panne überlebt, bei der Rauch aus dem Motorraum gestiegen ist. Er hat überlebt, dass ein Sitz im Bus abgekracht ist, was eine zweistündige Reparatur nach sich zog. Aber jetzt ist auch irgendwo mal gut.

Es ist inzwischen neun Uhr abends, seit drei Stunden stehen wir im Stau. Keiner weiß, was eigentlich los ist, einige Ghanaer laufen mit Taschenlampe ausgerüstet nach vorne, wo sich irgendwo die Unfallstelle befinden muss. Wir sind nun seit elf Stunden unterwegs, auf herunterklappbaren, unbequemen Sitzen im Mittelgang; ohne Lehne, ohne Beinfreiheit. In meinem Fall noch mit einer fetten Enddreißigerin samt Baby rechts neben mir, der es nichts auszumachen scheint, ihren Spross noch halb auf meinem Schoß Platz nehmen zu lassen.

Doch auch dieser Stau löst sich auf, und um fünf Uhr morgens kommen wir nach 20 Stunden Busfahrt in Tamale an, einer mittelgroßen Stadt relativ nördlich in Ghana. Zeit für egg and bread. Übernachten lohnt sich nicht mehr wirklich, wir sparen uns das Hotel, schlagen die Zeit bis Sonnenaufgang tot, gehen ins Cultural Center zum Souvenir-Shopping, essen eine Kleinigkeit. Um zwei Uhr soll der Bus in den Mole-Nationalpark fahren, das Hauptziel unserer Reise.
Um halb drei ist immer noch kein Bus da. Es herrschen mindestens 35 Grad, gefühlt eher 55, meine Geduld schmilzt dahin; wie Eis in der Sonne. Um drei ist der Bus endlich da, bis alle eingestiegen sind ist halb vier. Weiter geht die Reise, uns wurde schon erzählt, dass das letzte Stück Weg in den Mole-Park straßenbautechnisch nicht eben das Beste ist, aber so schlimm kann es ja nicht sein.

Und wie es kann. Seit drei Stunden fahren wir auf einem hügeligen Sandweg, der sich eher als Motocross-Strecke denn als befahrbare Straße eignen würde. Eine Straße, die in Deutschland vermutlich verboten wäre. Wir trösten uns mit dem Blick nach draußen, wenigstens die Vegetation ist halbwegs interessant, ab und zu sehen wir auch ein Tier, allerdings nichts Aufregendes. Hin und wieder Dörfer, die an Provinzialität kaum zu überbieten sind. Runde Lehmhütten mit Strohdächern, Ziegen, mit viel Glück ein kleiner Laden, der alle Ghana-Standardprodukte verkauft.
Als es dunkel wird, sind wir noch immer nicht im Park angekommen, dafür aber inzwischen seit fast 40 Stunden wach. Die Holperstrecke will kein Ende nehmen und mir graut vor dem Gedanken, dass wir irgendwann wieder zurück müssen und bis dahin vermutlich kein Ghanaer dahergekommen ist und gesagt hat "Hey, lasst uns die Straße mal asphaltieren."

Neun Uhr ist es, als wir im Park ankommen. Ein Männchen steigt in den Bus, will von jedem Besucher 40.000 Cedi Eintritt, mit Kamera 42.000. Juhu, Geld gespart. Er braucht eine halbe Stunde, um von 10 Besuchern je 40.000 Cedi einzusammeln. Die ghanaische Ineffizienz kotzt mich an. Jedenfalls in diesem Moment, nach insgesamt 25 Stunden Busfahrt mit einem nicht vorhandenen Komfort, für den man bei uns jede Busfirma hätte verklagen können. Hier kann man höchstens fluchen.

Der Mole-Nationalpark wird in so ziemlich allen Reiseführern als Hauptattraktion des Landes angepriesen. Elefanten, Krokodile, Antilopen, Wasserbüffel, alles in freier Wildbahn. Das erste Tier, das wir sehen, ist ein riesiger Käfer, der vor der Rezeption liegt, auf dem Rücken, wild mit den Beinchen strampelnd. Fängt ja gut an. Aber solange wir Elefanten sehen, soll uns alles recht sein.

"I like your names", erklärt uns der Mole-Führer am nächsten Morgen, der uns und noch ein paar andere Touristen auf die Safaritour mitnehmen soll. Ausgeschlafen, erholt und wieder ein wenig mit Ghana versöhnt. Diesem primitiven, ineffizienten und langsamen Drecksland.

Als wir den Hügel zum Wasserloch hinuntersteigen, sehen wir in der Ferne ein graues Etwas, das sich bewegt. Solange es sich nicht um einen laufenden Felsen handelt, muss das wohl ein Elefant sein. Die Reise hat sich gelohnt! Später sehen wir den Elefanten noch von nahem, dazu einige Antilopen, Wildschweine, ein Krokodil und anderes Getier.

Von der Safaritour zurück an unserer Zimmertür des Mole-Motels angekommen, liegt vor unserer Tür besagter riesiger Käfer, auf dem Rücken, und strampelt wild mit den Beinchen. Wir drehen ihn um, er läuft ein paar Zentimeter, will die Stufe zu unserer Tür erklimmen, fällt um. Liegt auf dem Rücken, strampelt wild mit den Beinchen. Dumm und ineffizient. Muss ein ghanaischer Käfer sein.

An diesem Tag sehen wir noch mehr Elefanten, Elefanten im Wasserloch badend, Elefanten direkt am Motel. Abends essen wir im Motel, ich bestelle einen "nicoise salad", freue mich auf große Salatblätter, Zwiebelringe, Thunfisch und Joghurtdressing, bekomme trockene Mini-Blätter, keine Zwiebeln und einen Thunfisch, den ich noch in der Nacht wieder erbreche und der mir drei weitere Tage lang Durchfall beschert. Aber wir haben Elefanten gesehen.

Nach drei Übernachtungen im Mole-Motel geht es wieder zurück nach Tamale, mit Magenbeschwerden vier Stunden im nicht gefederten Bus über besagte Buckelpiste. Von Tamale aus mit dem Tro-Tro weitere drei Stunden nach Bolgatanga, die so ziemlich nördlichste Stadt Ghanas, ein 60.000-Seelen-Städtchen, das eigentlich ein großes Dorf geblieben ist. Wenn man die anderen Städte Ghanas gesehen hat, kann man beinahe schon behaupten, dass Accra zumindest peripher von der Industrialisierung berührt worden ist, denn in den nächstgrößeren Städten ist eigentlich gar nichts los.

Aber zu allem gibt es natürlich noch eine Steigerung, vor allem hier. Und so unternehmen wir einen Trip von Bolga aus in ein kleines Dorf, oder vielmehr eine Ansammlung von Dörfern. Das besondere hierbei ist, dass die Hütten aus Stein gebaut und mit verschiedenen Symbolen bemalt sind. Ein Bewohner des Dorfes erklärt uns alles, während sich eine Horde Kinder brennend für das Taxi interessiert, das uns hergebacht hat. Schon hier beschleicht mich der Verdacht, dass es mit Technik hier vermutlich nicht sonderlich weit her ist.

Unterdessen erklärt unser Führer, dass es eine Steinhütte gibt, in der nur die Älteren schlafen, alle ab 80 aufwärts, wir fragen uns, wie hier jemand älter als 80 werden kann, aber irgendwie muss es wohl gehen. Wenn ein junger Bewohner des Dorfes eine Frau eines anderen Dorfes heiraten will, muss er diesem Dorf vier Kühe schenken. Das ist jetzt nicht mehr Dokumentarfilm live, das ist schon härter als jeder Dokumentarfilm, hiergegen ist Accra die reinste Weltmetropole. Als wir an der Wasserstelle des Dorfes ankommen, zeigen uns zwei Kinder stolz die Kröten, die sie gefangen haben, und erklären, dass sie selbige jetzt grillen und essen werden. Es wird Zeit, dass wir wieder nach Accra kommen.

Nach vierzehn Stunden fast-non-stop kommen wir auch wieder in Accra an. Schön wars, wenn auch schwierig, aber zweifelsohne hat es sich gelohnt. Inzwischen ist hier der pure water-Preis von 300 auf 400 Cedi gestiegen, reinster Wucher. Ein Glück muss ich bald schon die Heimreise antreten - das Leben hier wird langsam immer teurer.





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