Einbruch mit Folgen

» gepostet am Datum11.04.07 um Zeit19:23 Uhr

Um zwei Uhr nachts klopft es an unserer Zimmertür. Plötzlich ist das Licht an, heller Aufruhr, Stimmengewirr, ich noch im Halbschlaf und nur bedingt aufnahmefähig. "Es ist eingebrochen worden, ihr solltet nachschauen, ob noch alles da ist." Einbruch. Noch alles da? Langsam verstehe ich, was offenbar passiert ist. In unser Haus ist eingebrochen worden.

Als ich aus der Hintertür auf unseren Hof hinaus ins Halbdunkel trete, steht Anas vor mir, mit Boxershorts bekleidet und einen immensen Holzprügel in der Hand haltend. "Theres a thief! The thief is in there!", brüllt er in einem Englisch, das ich erst beim zweiten Ruf verstehe. "I need a gun", brüllt er weiter. In die Moskitogitter vor den Fenstern in Anas Haus sind handtellergroße Löcher gebrannt worden. "Deine Laptoptasche liegt hinter dem Haus", sagt mir ein anderer Teilnehmer. "Einbruch. Mein Laptop", schießt es mir durch den Kopf.

Hinterm Haus liegt auch tatsächlich meine Laptoptasche, allerdings ohne Inhalt. Aber das ist normal, meine Laptoptasche ist kürzlich zu einer Strandtasche umfunktioniert und seither nur zum Transport von Sonnencreme und Handtuch benutzt worden. Und sowohl Sonnencreme als auch Handtuch sind noch da. Ich bin mittlerweile dreiviertel aufgewacht und in leichter Panik. Anas verlangt noch immer lautstark nach einer Waffe und meint, dass wir zumindest einen Wachhund brauchen.

Mit Herzklopfen gehe ich in unser Zimmer und mache gleichzeitig eine der beiden Chancen zunichte, dass mein Laptop nicht geklaut wurde: Auf dem Regal liegt er nicht. Zweite Möglichkeit: Auf dem Tisch im Gemeinschaftsraum. Es ist dunkel, man sieht kaum etwas, obwohl das Licht im Flur an ist, doch da liegt etwas Silbernes und großes auf dem Tisch. "Acer", steht darauf, und mir fällt ein Stein vom Herzen. Kurz überprüfe ich im Zimmer, ob meine Visakarte, die Reiseschecks und mein Bargeld noch da sind, aber alles scheint da zu sein. Sogar meine externe Festplatte liegt im obersten Regalfach.

"I dont get this, Im not missing anything", erkläre ich Anas, wieder draußen angekommen. Obwohl der Dieb doch eindeutig in unserem Zimmer war, wenn er sogar meine Laptoptasche aus dem Zimmer genommen hat. Anas ist sich mittlerweile sicher, dass der Dieb noch im Haus ist. Er erklärt, dass ihm seine Hose mit Bargeld gestohlen worden ist, allerdings nicht allzu viel. Ich nehme meine Laptoptasche samt Handtuch und Sonnencreme wieder mit ins Zimmer, sehe nochmal alles durch, stelle die Laptoptasche in eine Ecke und sehe, dass es in der Ecke irgendwie leer aussieht. Plötzlich wird mir klar, dass meine Kameratasche verschwunden ist. Samt Kamera, Objektiven, Blitzgerät.

Die Tasche stand kapp zwei Meter von meinem Bett entfernt, wenige Zentimeter von dem Bett eines anderen Teilnehmers. Mir wird langsam erst das ganze Ausmaß des Einbruchs bewusst, nämlich dass der Dieb Zeit genug hatte, sich in unserem Zimmer umzusehen, meine Kamera- und Laptoptasche und außerdem den Kosmetikbeutel und die Digitalkamera eines anderen Teilnehmers mitgehen zu lassen. Während wir geschlafen haben.

Wieder draußen angekommen, teile ich Anas mit, dass meine Kameratasche weg ist, obwohl ich es selbst noch gar nicht ganz realisiert habe. Währenddessen haben auch zwei andere Teilnehmer, die draußen im Hof übernachtet haben, ihren Verlust festgestellt. Zwei Handys, eine Digitalkamera, eine Festplatte, eine Visakarte, ein iPod, ein Mp3-Player, Bargeld. Alles lag unter dem Moskitonetz, der Dieb muss sich folglich alles von dort genommen haben. Inzwischen haben sich fast alle Teilnehmer auf dem Hof versammelt, diskutieren, erstatten Bericht, sind erleichtert. Oder fühlen sich irgendwie ihrer Sicherheit beraubt. Oder versuchen gerade erst noch zu verstehen, was passiert ist, wie in meinem Fall.

Als sich alles wieder halbwegs beruhigt hat und Anas sicher ist, dass der Dieb schon abgehauen ist, geht jeder wieder schlafen, oder versucht es zumindest. Ich brauche einige Zeit zum Einschlafen und versinke in seltsame Träume, die alle irgendetwas mit Diebstahl zu tun haben. Am nächsten Morgen weiß ich: Meine Kamera ist weg, und wahrscheinlich siehst du sie nie wieder.

Gegen Mittag gehen Anas, Daniell (ein anderer Betreuer), ein Teilnehmer und ich zur Mamprobi Police Station, die sich ganz in der Nähe befindet. Es ist ein kleines Häuschen mit Veranda, stünde am Eingang nicht "Mamprobi Police Station", könnte man es auch für ein Ferienhaus halten.

Im Inneren befindet sich eine Art Theke, ein Büro, eine Zelle, an dessen Gitterstäben ein paar schwarze Jungs kleben und gaffen, einige Menschen laufen umher, manche uniformiert, manche nicht. Anas und Daniell sprechen mit einem der Uniformierten darüber, was passiert ist. Währenddessen sitzt eine dicke Polizistin hinter ihm, isst Avocado und stellt Zwischenfragen.

Wir halten unsere Aussagen schriftlich fest, jeder einzeln, listen auf, was geklaut wurde. Danach gibt uns der Detective seine Karte. Wir sollen ihn anrufen, wenn irgendetwas ist oder wir jemanden verdächtigen. Als wir zurück zum Haus fahren, drängt sich das Gefühl auf, dass wir unsere Sachen nie wieder sehen.

Irgendwann gegen Nachmittag habe ich mit dem Vorfall abgeschlossen, auch wenn man sich wohl nie wieder so sicher fühlen kann wie zuvor. Dasselbe hätte auch daheim passieren können, natürlich. Und doch bestätigen sich sämtliche Vorurteile, Afrika ist gefährlich, die haben es vor allem auf Weiße abgesehen, und so weiter. Und doch will ich von dem Vorfall mein positives Bild von Ghana nicht runterziehen lassen. Von einem merkwürdigen Gedanken gedrängt, werfe ich einen Blick in die Ecke des Gemeinschaftsraumes. Ein kleines, graues Plastikkästchen liegt dort; der Schriftzug "Canon" prangt darauf. Das Ladegerät für meinen Kamera-Akku. Wenigstens wird der Dieb an meiner Kamera nicht allzu lang Freude haben.





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