Accra, sweet Accra

» gepostet am Datum10.04.07 um Zeit19:15 Uhr

Donnerstagmorgen, 05.45 Uhr. Der Tag beginnt für mich mit zwei Scheiben Butterbread, Finetti spread hazelnut with cocoa, dem bisher besten und günstigsten Nutella-Ersatz und einem Beutel pure water. Rucksack ist gepackt, Schuhe stehen bereit, alles ist fertig für meinen viertägigen Trip nach Kumasi und Umgebung. Alles, außer mir selbst. Aber das wird auch noch.

Die erste Schwierigkeit besteht darin, frühmorgens ein Tro-Tro um Circle zu finden, doch nach kurzem Fußmarsch zur Hauptstraße finde ich eins und bin etwa um sechs am Circle. Von dort aus geht es weiter zur O.A.-Busstation. O.A. ist eines der Busunternehmen, die Busfahrten zwischen den größten Städten, wie Accra, Tema, Kumasi etc. anbieten. Für 80.000 Cedi bekomme ich einen Bus mit Klimaanlage, Beinfreiheit und schlechten, ghanaischen Filmen auf Twi. Das ist es aber wert. Die Klimaanlage läuft auf etwa 18 Grad und ich muss nach einigen Minuten ein zweites Hemd anziehen, um nicht den Kältetod zu sterben.

Kumasi ist schön. Es ist nicht so geschäftig wie Accra, nicht so dreckig, nicht so laut. Eigentlich spielt sich das hauptsächliche Geschehen in Kumasi nur in und um den Central Market herum ab. Ich nehme ein Taxi und frage den Taxifahrer, ob er mich zum OAU-Hotel bringen kann, das ist das Hotel, in dem ich ein Zimmer reserviert habe. Etwa eine Stunde später weiß ich, dass der Verkehr in Kumasi noch schlimmer als in Accra ist, dass Kumasi einen Zoo hat, dass man in Kumasi auf der Straße (z.B aus dem Tro-Tro heraus) ein lebendes Huhn kaufen kann (nach dem Preis habe ich nicht gefragt) und dass es zwei OAU-Hotels in Kumasi gibt und der Taxifahrer mich soeben beim falschen abgesetzt hat. Eine weitere Taxifahrt und etlichen Stau später kenne ich nun wirklich ganz Kumasi und bin beim richtigen Hotel angekommen, dem OAU-Haupthotel nahe dem Kumasi Royal Golf Club. Für 80.500 Cedi pro Nacht bekomme ich ein geräumiges Zimmer, ein WC, eine Dusche, einen Fernseher und einen Ventilator.

Während der beiden Taxifahrten durch Kumasi hatte ich Probleme, mir hier irgendwo einen Golfplatz vorzustellen. Ich will hier keine Vorurteile bekräftigen, aber sind wir ehrlich, meist wird Golf doch zumindest von der Mittelschicht, wenn nicht hauptsächlich von der Oberschicht ausgeführt. Und wenn man nun Accra mit all seinen Bretterbuden und Kindern und Menschen in ärmlicher Kleidung kennen gelernt hat, fällt es doch schwer, sich hier einen Golfplatz vorzustellen.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Vielleicht, dass sich ein paar Ghanaer gefunden haben, die mit irgendwelchen Holzschlägern und Bällen aus dem 18. Jahrhundert sich gegenseitig versuchen, einen Schwung beizubringen. Aber ich habe bestimmt nicht erwartet, dort an die 20 vornehm, mit langer Hose und in selbige gestecktem Polohemd gekleidete Schwarze zu sehen, Golfbags von Titleist, Taylor Made, Callaway, einen Proshop, richtig gut designte Golfbahnen. Ja, es ist alles etwas primitiver als bei uns, aber kaum merklich.

Nach einigen Minuten auf der Terrasse des Golfclubs lerne ich Yaw Bee kennen, einen dreißigjährigen Kumasier, der wie Mitte zwanzig aussieht. Ich erzähle ihm, wer ich bin, warum ich hier bin, er sagt, er ist einer der Professionals und nimmt an den Open teil, gerade ist er der Drittplatzierte. Er spielt seit etwa 10 Jahren, hat am Vortag sieben über, heute zwei unter gespielt. Und ich denke immer noch, ich bin im falschen Film.

Etwa eine Stunde später wie ich in etwa über den Golfclub und das Turnier Bescheid und beschließe, ins Hotel zurückzugehen. Inzwischen ist es fünf Uhr nachmittags, Zeit genug, noch ein wenig durch Kumasi zu streifen. Ich lerne, dass "Kejetia" der Hauptstadteil von Kumasi zu sein scheint und stoppe mir mit stilvoller Finger-nach-oben-rechts-Bewegung ein Tro-Tro. Für 1000 Cedi bringt es mich ins Herz von Kumasi, wo ein unglaubliches, geschäftiges Gewusel herrscht. Von Sauberkeit und Natur abgesehen ist Kumasi eigentlich wie Accra. Es gibt Kokosnüsse, Yogo und Ananas zu kaufen, dieselben Bretterbuden, alles ist ziemlich ähnlich. Ich kaufe am Newsstand einen Enquirer und lerne die Verkäuferin kennen, sie ist 20, heißt Efia und will mir morgen zeigen, wie ich nach Kintampo komme.

Am nächsten Morgen werde ich um sechs Uhr unsanft vom Wecker geweckt, mache mich fertig, packe den nötigsten Kram in den Rucksack und begebe mich nach Kejetia. Als ich am Newsstand keine Efia antreffe, genehmige ich mir ein Egg and Bread. Hierbei muss man nach Ständen oder Buden Ausschau halten, die Nestle Milo und Nestle Ideal gestapelt haben. Milo ist eine Art Kaba, Ideal ein Milchpulver für eine Art Kondensmilch. Eigentlich ist hier alles eine Art irgendwas für irgendwas. Man braucht nur eine Weile, um dahinterzukommen. Ich bestelle egg and bread mit drei Eiern und Brot für 2000 Cedi samt warmem Milo mit Milch, die Frau macht mir aus den drei Eiern ein leckeres Omelette, packt es zwischen zwei Brotscheiben, gibt heißes Wasser zu ein wenig Milopulver und gibt etwas Kondensmilch hinzu. Fertig ist ein leckeres Frühstück, das ich im wahrsten Sinne des Wortes wärmstens empfehlen kann.

Ich kürze nun ein wenig ab, sonst wird das hier alles viel zu viel. Von der Kumasi-Lorry-Station geht es per Tro-Tro nach Techiman, eine kleinere Stadt, von dort nach Kintampo. Dann zu den Kintampo Falls und danach zu den Fuller Falls, zwei wirklich schöne Wasserfälle, wenn nicht sogar die schönsten Ghanas. Jedenfalls schöner als die von Wli, finde ich. Ein Führer und ein Taxifahrer zeigen mir alles, der Führer empfiehlt mir danach noch das Toronto Guesthouse zum Übernachten und fragt nach meiner Handynummer, die ich ihm gebe. Für 75.000 Cedi bekomme ich ein Bett, ein WC, eine Dusche, einen Kühlschrank, der nicht funktioniert und einen Fernseher, dessen Stecker nicht in die Steckdose passt. Aber wer braucht schon Fernsehen, wenn man draußen Dokumentarfilm live haben kann.

Am späten Nachmittag sehe ich mir Kintampo an. Leider gibt es in dem 5000-Seelen-Dorf nicht allzu viel zu sehen. Es gibt zwei Internetcafes, das eine hat vor einigen Monaten zugemacht, im anderen sitze ich an einem Uralt-PC neben einem Moslem. Das Internet ist langsam. "Its not too fast, is it?", frage ich ihn. "Its dial-up", verrät er mir. Modem-Verbindung. Die noch einmal auf sechs Computer aufgeteilt wird. Halleluja. Während ich im Schneckentempo versuche, web.de zu öffnen, denke ich darüber nach, was ich hier wohl außer Fufu und Banku zu essen bekommen könnte.

Nach einer Portion plain rice, spaghetti und stew für 8000 Cedi wird es langsam dunkel. Ich frage einen Verkäufer in einem Haushaltswaren-Lädchen nach Softdrinks, er zeigt mir seinen Kühlschrank, ich entscheide mich für einen chinesischen Kirschdrink, der gar nicht schlecht schmeckt. Er bringt mir einen Stuhl, stellt sich als Williams vor, erzählt, dass er hier zu Besuch ist und eigentlich aus Accra. Ich habe Lust auf Bier, Williams schickt jemanden, um mir ein Star Beer zu bringen und geht selbst boiled Yam (gekochte Yamswurzel) essen. In der Zwischenzeit gehe ich ein wenig in Kinampo umher, ohne bestimmtes Ziel, und doch weiß ich doch irgendwo, was ich suche. Mein Blick bleibt etwas zu lange an einem Stand mit Milo- und Ideal-Dosen hängen und der Verkäufer ruft mich zu sich. Für 10.000 Cedi bekomme ich ein Omelette mit Tomaten- und Zwiebelstückchen im Baguette und eine Tasse Milo, die unheimlich gut ist. Als ich am Stand sitze und mein egg and bread esse, kommt jemand zu mir und spricht mich auf einer Sprache an, die ich nicht verstehe, bis ich nach einigen Sätzen realisiere, dass es französisch ist. Ich verstehe, dass der Herr aus Burkina Faso ist und zu Besuch in Kintampo. Ansonsten besteht die Konversation meinerseits hauptsächlich aus "Pardon?", "Je ne comprends pas" und "Je ne parle pas francais tres bien". Ich beschließe, mein Französisch wieder aufzufrischen und weiß im selben Moment, dass ich den Gedanken morgen wieder verwerfen werde. Nach einem weiteren Star Beer gehe ich ins Toronto Guesthouse schlafen.

Am nächsten Morgen verwerfe ich den Gedanken, mein Französisch aufzufrischen, wieder. Am Stand von gestern Abend begrüßt mich der junge Verkäufer schon freundlich und ich frühstücke egg and bread. Dann geht es nach Boabeng-Fiema, ins Affenreservat, wo ich einige Mona-Affen und schwarz-weiße Kolobos sehe und endlich herausfinde, wo Rizzis ekliges Baumrinden-Gesöff herkommt, das er mir eines schönen Tages angeboten hat. Danach zurück nach Techiman, wo sich verhängnisvollerweise direkt neben der To-Tro-Station ein egg and bread-Stand befindet. Für 10.000 Cedi bekomme ich mein zweitbestes egg and bread und denke darüber nach, was eigentlich genau der Cholesterinspiegel aussagt und was eigentlich passiert, wenn selbiger zu hoch ist. Aber für solche Gedanken ist egg and bread einfach zu gut.

Mittags komme ich wieder am Golfplatz an, wo bereits der Gewinner der Ghana Golf Open feststeht. Amos heißt er, neun unter hat er hingelegt und zum wiederholten Male die Open gewonnen, genauso wie er just einige Monate zuvor die Senegal Open gewonnen hat. Richtig viele Leute sind heute da, auch einige Weiße. Aus Italien, Spanien, Japan, Frankreich. Und natürlich Ghanaer. Älteren Jahrgangs, mit Bauch. Ungewöhnlicher Anblick. Ich treffe Yaw wieder, er stellt mich Amos vor, ich stelle ihm ein paar Fragen, mache ein paar Fotos. Yaw sagt, es wäre auch eine deutsche Frau hier. Ich gehe hin und sage "Excuse me, I was told you were from Germany?", frage ich. Aber sie ist Spanierin, hat einen Ghanaer geheiratet und lebt seit knapp 40 Jahren in Accra. Sie lädt mich auf ein Bier und Pommes ein, doch nach einer halben Stunde fühle ich mich in der Umgebung unwohl, will gehen; der Himmel zieht zu, es beginnt zu schütten, verdammte Regenzeit.

Doch irgendwie passt der Regen zu meiner Stimmung, und das Bild, das ich hier sehe, nicht zu dem Bild, das ich sonst hier bekomme habe. Da ist ein Tisch mit Gewinnen aufgebaut, Golfbälle von Titleist, Maxfli Noodle, Callaway, Precept, Bücher von Tiger Woods,"Making business on the golf course", Lernvideos, ein Trainingsnetz von David Leadbetter. Bags und Schläger von Nike, Cleveland, Callaway. Alles begleitet von dicken und reichen Ghanaern und Europäern. Zum ersten Mal hier in Ghana bin ich Mittelmaß, uninteressant, einer von vielen. Aber das ist es nicht, was das Unwohlsein auslöst, es ist eher der plötzliche, unerwartete Reichtum, mit dem ich konfrontiert werde, und der Gedanke, dass ich in einem Monat nur noch diesen Reichtum sehen werde.

Als sich ein fetter, weißer Mann eine Zigarre ansteckt, verabschiede ich mich und gehe, durch den strömenden Regen, nach nebenan ins "Chopsticks", wo ich eine Pizza Capriciosa esse, mit richtigem Schinken und echten Pilzen. Aus der Dose, aber immerhin. Am nächsten Morgen geht es zur OA-Busstation und zurück nach Accra. Mit all seinem Schmutz und seiner Armut. Nach Hause. Accra, sweet Accra.





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