House trifft Hiplife

» gepostet am Datum10.03.07 um Zeit10:18 Uhr

Und noch einmal zieht Nabosco den Regler runter. Dreht ein wenig an den EQ-Knöpfen herum, bewegt den Pitchfader nach oben und unten, drückt ein paar Loop-Knöpfe. Es sieht nicht so aus, als hätte er irgendein bestimmtes Ziel. Und das hat er auch nicht. Er spielt noch einmal an en EQ-Reglern herum, zieht den Lautstärkeregler nach oben, den anderen langsam herunter, noch einmal ein wenig an den EQ-Reglern spielen, die sich allesamt in unmöglichen Positionen befinden, fertig ist der Übergang.

Nabosco ist DJ im "Oldtimers", einem sogenannten "Spot", was eine Mischung aus Bar und Club ist. Es ist ein kleiner, an den Seiten überdachter Innenhof, die Tanzfläche befindet sich unter dem dank Accras Luftverschmutzung kaum zu sehenden Sternenhimmel. Es gibt eine Bar, einen Fernseher, vor dem sich fünf Ghanaer einen Film mit Eddie Murphy ansehen, obwohl sie kein Wort verstehen können, da die Musik zu laut ist, einige Tische und Naboscos DJ-Bereich.

Selbiger besteht aus einem Behringer DJX-700 Mixer und einem Numark-Doppel-CD-Player. Beides bekannte Firmen, nicht eben das Beste auf dem Markt, aber man kann doch etwas damit anfangen. Und heute Abend wird der CD-Player mit lokaler Musik gefüttert, mit Highlife und Hiplife. Das ist etwa wie bei uns Schlager und House/Trance, allerdings auch nur von der Idee her, in der Realität klingen Highlife und Hiplife nicht so verschieden, wie es jetzt Reinhard May und Scooter tun.

Highlife ist stark an Reggae orientiert und eher langsam, in etwa in Hiphop-Region. Highlife ist Ghanas ureigene Musik, die es schon seit den Siebzigern gibt, jedenfalls zeigt mir Nabosco immer wieder seine Klassiker, aus den Siebzigern, den Achtzigern, alles klingt ähnlich, hier mal mit Trompeten oder Posaunen, hier mal ohne, sämtlicher Gesang auf Twi. Im aktuellen Lied geht es um Liebe, der Interpret ist arm und hätte gerne Flügel, erklärt mir Nabosco, ich bin nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe.

Hiplife ist die Weiterentwicklung von Highlife und vereint Reggae, Hiphop und Dancehall in sich. Es ist schneller und tanzbarer als Highlife, bewegt sich beinahe in House-Geschwindigkeit, ist schwer mit etwas zu vergleichen, das wir in Europa kennen, daher hab ich einfach mal einen Ausschnitt aus dem hier bekanntesten Hiplife-Stück hochgeladen: Castro - Back and Front. Ich glaube, man muss es einige Male hören, mir gefällt es jedenfalls inzwischen richtig gut.



(Falls der Player nicht erscheint, Direktlink: Castro - Back and Front)

House und Hiplife sind gar nicht so weit auseinander, wie man meinen könnte, jedenfalls sind beide Stile gut miteinander mixbar, doch ich kann mir nicht wirklich vorstellen, wie irgendwo in Ghana House laufen soll. Das ist etwa, wie wenn bei uns in Deutschland plötzlich in den neusten Electrohouse-Kracher "Verdammt ich lieb dich" gemixt wird. Und doch würde es funktionieren, im Kopfhörer mixe ich einen Clubhouse-Track auf ein Hiplife-Stück, welch kulturelle Begegnung, Europa und Afrika gemischt.

Später zeige ich Nabosco einen House-Track im Kopfhörer, leichte Kost, nichts hartes, es gefällt ihm. "Do you think they would like it?", frage ich ihn und deute auf etwa 30 Ghanaer, die sich auf der Tanzfläche rhythmisch zu Hiplife bewegen. "Yeah, I think they would enjoy it", antwortet Nabosco, ich bin mir da nicht so sicher, aber gut. Ich frage, ob wir das nicht später einmal ausprobieren könnten, Nabosco hat nichts dagegen, doch ab 10 Uhr übernimmt ein anderer DJ, der auf Hiplife spezialisiert ist, "Thomas" ist sein Name, die Namensgebung in Ghana habe ich immer noch nicht ganz verstanden, wie mir scheint.

Thomas spielt Hiplife, ich sehe ihm zu, sage ihm, dass ich gerne einen Housetrack ausprobieren würde, er nimmt die CD, legt sie ein, hört im Kopfhörer vor, ich gehe zurück zur Tanzfläche und setze mich auf einen Stuhl direkt daneben, bin gespannt auf das, was kommen mag.

Der Übergang beginnt, er holpert ein wenig, kein Wunder, bei doch recht großem Geschwindigkeitsunterschied. Ein wenig Doppelbass, dann ist der neue Track komplett drin, ein paar Ghanaer hören auf sich zu bewegen, blicken fragend auf die Boxen, als würden sie ihnen erklären "Das ist House!".

Und tatsächlich tanzen einige, sogar beinahe genau so viele wie auch vorher zu Hiplife getanzt haben, auch wenn die verwunderten Blicke nicht aufhören und sich alles hemmungslos übersteuert anhört. Dann ist der Track vorbei, es kommt wieder Hiplife, keiner wundert sich mehr, der kurze, musikalische Europa-Trip ist vorbei. Es war seltsam, und es passt nicht. Ghana braucht Highlife und Hiplife, alles andere passt nicht hierher, auch wenn es einige Einwohner mögen würden, es passt einfach nicht, das ist wie Reggae in Skandinavien oder Death Metal in der Karibik.

Nabosco will mir eine CD zusammenstellen, mit seinen persönlichen Highlife- und Hiplife-Lieblingsstücken, ich werde ihm noch mehr House zeigen, aber das soll es gewesen sein an kulturellem Musikaustausch. Wenn auch hier in Ghana Hiphop und Dancehall a la 50 Cent oder Sean Paul bekannt und beliebt sind: Für House ist Ghana noch nicht bereit. Zu schnell, zu hektisch - es passt einfach nicht. Und das ist auch gut so.





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