Von Obronis und Obibinis
» gepostet am 28.02.07 um 16:02 Uhr
Langsam gewöhnt man sich daran, hier etwas Besonderes zu sein. Auch wenn es von Zeit zu Zeit sehr anstrengend sein kann, alle Rufe und Bemerkungen zu erwidern, zumal man nicht einmal alle mitbekommt der versteht. Der Großteil der Bevölkerung ist des Englischen zwar mächtig, spricht jedoch einen so starken Dialekt, dass es fast unmöglich ist, ihn zu verstehen. Und teilweise ist das Ganze dann noch mit Twi gemischt, was eine Verständigung unmöglich macht. Doch wenn man als Obroni gefragt wird "Wo ho te sen?" (Twi für "Wie geht es?") und dann mit "eye" (Es geht mir gut) antworten kann, strahlt der Ghanaer und ruf "Thank you!". Oder lacht über die falsche Aussprache. Aber man kann ja nicht alles richtig machen.
Ich mag es normalerweise nicht, wenn Leute erzählen, hach, ich war in dem und dem Land, die Leute sind soooo nett, kein Vergleich zu Deutschland, wo alle bloß murren, aber hier lächeln alle und grüßen und überhaupt. Ich glaube nämlich, dass ein Tourist sogar in Deutschland nett behandelt wird. Vorausgesetzt, er ist nicht gerade schwarz und verirrt sich in eine No-Go-Area. Aber das sei mal außen vor gelassen.
Nun ist das in Ghana allerdings doch ein wenig anders. Weiße sind eine Attraktion, zweifelsohne. Und wenn man hier als weißer Volunteer einen anderen Weißen trifft, ist die Wahrscheinlichkeit nicht eben klein, diesen anderen Weißen zu kennen. Und ich ertappe mich dabei, andere Weiße schon ebenso anzustarren, wie ich selbst angestarrt werde. Wahrscheinlich bekomme ich bei meiner Rückkehr erstmal einen zweiten Kulturschock, weil alle weiß sind.
Doch eigentlich wollte ich ja über die ghanaische Gastfreundschaft sprechen. Es ist nicht so, dass alle Schwarzen immer lächeln und fröhlich sind und sich alle einen guten Tag wünschen. Aber sobald ein Weißer, wird ihm zugerufen, er begrüßt, Smalltalk durchgeführt, manchmal angebettelt. Bei einem einstündigen Spaziergang durch einen Markt wird man mit Sicherheit zwanzig Mal angesprochen. Auch wenn es nur dafür ist, einmal Hallo zu sagen, zu fragen, wie es denn so geht, wie lange man bleibt, was man tut, und wo man jetzt hingeht. Und dann noch eventuell, ob der Fragende nicht mitkönnte oder er ein bisschen Geld hat.
Als ich gestern von der Arbeit Richtung Tro-Tro-Station gelaufen bin, sprach mich ein Schwarzer an. Mit langer, weißer Hose, Hemd, Umhängetasche und Zeitschrift in der Hand. Er hat sich als "Emile" vorgestellt, hat gefragt, wo ich herkomme, was ich mache, hat erzählt, dass er Trommler sei und auch Gedichte schreibe. Als er dann gehen musste, wollte er noch meine Handynummer, und ich hab sie ihm gegeben. Heute Morgen um Viertel nach 7 klingelt mein Handy, eine SMS. Von Emile. "Good morning. This is a new days with new activities. Have then a nice days my friend!"
Ich muss zugeben, das ist einem Schwarzen in Deutschland wahrscheinlich noch nicht passiert. Natürlich weiß man nie, ob so etwas dann einfach nett gemein ist oder irgendwelche Hintergedanken dahinterstecken, doch normalerweise ist es pure Freundlichkeit.
Ein anderes Phänomen ist die gute Laune der Ghanaer. Ein durchschnittlicher Ghanaer verdient weniger als ein Deutscher, der ALG II bezieht. Natürlich ist das Leben hier billiger, aber nichtsdestotrotz wage ich zu behaupten, dass es beinahe jeder Deutscher von den Lebensumständen her besser hat als ein Ghanaer. Und doch ist der Ghanaer glücklicher. Ich denke, das liegt daran, dass es die meisten hier nicht anders kennen. Es ist eben so, und viele gehen davon aus, dass die ganze Welt so aussieht. Von dem Teil abgesehen, der die Weißen als Reiche vergöttert und unbedingt nach Europa will.
Und doch ist der Lebensstandard hier fast überall gleich, es gibt keine großen Unterschiede zwischen arm und reich, die es bei uns eben doch gibt. Weiteres Problem: Der Deutsche wird ständig mit Reichtum konfrontiert. Allein schon das Fernsehen propagiert pausenlos neue elektronische Geräte, in Filmen oder Seifenopern lebt jeder recht wohlhabend, ständig sieht man auf MTV die Häuser und Autosammlungen der Stars. Von Sendungen wie "My super sweet sixteen" einmal ganz abgesehen, wo der sechzehnjährige Sohn P. Diddy und Kanye West zu seinem Geburtstag einlädt und den Weltuntergang einläutet, weil seine Einladungen auf Mp3-Player nicht rechtzeitig fertig sind. Der Unterschied zwischen so einem Leben und dem Leben hier ist fast schon nicht mehr zu begreifen.
Ich habe meinen freien Tag heute genutzt, habe Wäsche gewaschen, Geld getauscht und einige Sachen besorgt. Darunter ein paar Flipflops. Wer denkt, shoppen in Europa kann manchmal ganz schön anstrengend sein, war noch nie auf einem ghanaischen Markt. Ich persönlich habe beschlossen, mein Glück auf dem Kaneshie Markt zu versuchen. Also, rein in die Markthalle, in den zweiten Stock und beim erstbesten Stand angehalten und mal geschaut.
"Hey, Obroni!" kommt eine Frau auf mich zu. Und sofort wird jedes nur erdenkliche Paar angepriesen, bis ich ihr geduldig erkläre, dass mir die Farben nicht gefallen und sowieso alle zu klein sind. Der durchschnittliche Europäer ist nämlich doch ein wenig größer als Otto Normalghanaer, und so frage ich, ob es die Schlappen noch in größer gibt, die Frau lacht und erklärt mich für verrückt. Doch dann geht die Reise los, zu jedem nur erdenklichen Stand, wobei aber eigentlich jeder die gleichen Latschen verkauft, und ich versichere immer wieder, dass mir die Farben nicht gefallen und sie immer noch zu klein sind. "Here, what about the pink ones?", fragt sie. "Oh no, people might think I was gay", erkläre ich ihr. Sie lacht. Und weiter gehts, zum nächsten Stand. Da finde ich dan schließlich endlich ein Paar gefälschte Puma-Schlappen, für umgerechnet 2,50 Euro, fast schon Wucher, aber bei dem Service, was soll man da sagen.
Außerdem hab ich mir heute im Hinblick auf den anstehenden Unabhängigkeitstag eine Ghana-Flagge gekauft, für umgerechnet 10 Euro, auch wenn ich sie mit Schuhcreme im Gesicht wahrscheinlich für zwei bekommen hätte, das ist es mir wert. Als Weißer muss man hier überall handeln, so habe ich die Flagge immerhin für 10 statt für 15 Euro bekommen. Hoffentlich gewöhnt man sich das Handeln dann schnell wieder ab. Nicht, dass ich dann in drei Monaten beim BurgerKing an der Kasse stehe und mich sagen höre "Was? Fünf Euro? Das ist zu viel. Ich geb Ihnen drei, ok?"
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Ein Nachwuchs-Journalist versucht, auf unterhaltsame und nachdenkliche Weise seine Erfahrungen während drei Monaten in Ghana zu schildern.
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