Reise ins Ungewisse
» gepostet am 16.02.07 um 09:51 Uhr
Sieben Uhr, der Wecker klingelt. Eigentlich ist "Klingeln" das falsche Wort. Vielmehr piepst er. Auch wenn ich manchmal lieber einen von der alten Schule hätte, der noch richtig klingelt. Aber man kann es sich eben nicht raussuchen. Und das Piepsen ist auf jeden Fall nerviger und macht schneller wach. Auch wenn ich das heute wirklich nicht brache. Denn wach bin ich sowieso schon.
Auf der Autofahrt nach Stuttgart geht mir alles Mögliche durch den Kopf; und doch ist er leer, zur selben Zeit. Hab ich dies eingepackt, hab ich jenes eingepackt. Bekomm ich das überhaupt hin, mit dem Umsteigen ins andere Flugzeug. Was wird mich dort erwarten. Sind die anderen Freiwilligen in Accra nett, wie wird es bei der Zeitung. Wie schmeckt das Bier in Ghana.
"Bitte lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt", sagt eine Stimme aus dem Lautsprecher. Ich sitze am Stuttgarter Flughafen, an Gate 331. Es ist viertel vor 11, mein Flug geht erst um 12.05 Uhr. Und so hab ich meinen Laptop ausgepackt und schreibe diese Zeilen hier. Ich werde sie leider nicht direkt veröffentlichen können, zwar habe ich ein drahtloses Netzwerk namens "any" entdeckt, als Benutzername und Passwort wollte das Netzwerk aber "any" und "any" nicht akzeptieren. Schade eigentlich. Aber sieht bestimmt trotzdem unheimlich wichtig und geschäftsmäßig aus, was ich hier tue. Auch wenn es kaum jemanden zu interessieren scheint.
Um mich herum sitzen vereinzelt noch andere, die offenbar nach Mailand wollen. Gerade kommt ein Vater mit Baby im Kinderwagen an und setzt sich ein paar Sitze entfernt von mir hin. Ich frage mich, wo wohl die Mutter des Kindes ist. Und wie er den Kinderwagen eigentlich ins Flugzeug bekommen will. Vielleicht besucht er die Mutter in Mailand. Oder er hat sie hier in Deutschland besucht und ist wieder auf dem Heimweg.
Mir gegenüber sitzt ein Deutscher, ziemlich leicht zu erkennen am hellroten Pullover über dem karierten Flanellhemd. Was er wohl vorhat? Mailand besichtigen? Oder gar auch nach Accra fliegen? Ich weiß es nicht. Er steht auf und geht umher. Neben ihm steht eine hellblaue Sporttasche, aus der ein kleiner Hund rausschaut. Mit weißem, zerzaustem Fell. Ich hab diese Hundeverwöhnerei satt. Ein Hund braucht keinen Pullover, und auch kein T-Shirt. Und man muss ihn auch nicht umhertragen. Dafür gab Gott ihm Beine. Sogar zwei mehr als uns. Also kann er auch alleine laufen. Vedammt.
Ansonsten haben sich nur noch ein paar (ebenfalls unverkennbare) Italiener hier niedergelassen. Der eine hört mit seinem Handy Musik. Vorhin hab ich eine Handywerbung gesehen, deren Slogan hieß: "My phone is my favourite DJ". Das kann ich so nicht stehen lassen. Aber jeder, wie er will.
Inzwischen ist auch die Mutter des Babys im Kinderwagen eingetroffen. Sie sieht etwas älter aus, als ich vermutet hätte. Nun ziehen beide von dannen und gehen in einen Gepäckshop in der Nähe. Vielleicht noch einen Koffer kaufen. Oder eine Tasche. Ich weiß es nicht.
Mir fällt ein, dass ich meinen USB-Stick vergessen habe. Ein zugegebenermaßen nicht unwichtiges Utensil, um Fotos vom Laptop ins ghanaische Internetcafé zu transferieren. Zwei Gigabyte, extra für Ghana gekauft. Verdammt. Aber das lässt sich regeln. Irgendwie. In Accra wird es vor USB-Sticks nur so wimmeln. Bin ich mir sicher.
Inzwischen füllt sich der Wartebereich langsam. Es ist jetzt kurz nach 11. Ab 11.35 Uhr darf man ins Flugzeug einsteigen. Ich speichere dieses Dokument ab und schalte den Laptop aus.
Zeitsprung: Es ist inzwischen halb zwei. Ich sitze im Wartebereich in Mailand, bei Gate B26. Ich hab noch nie so viele Schwarze gesehen, hab ich das Gefühl. Dabei sind es gerade mal sieben. Aber Abflug ist auch erst um halb 5. Ein leichtes Unwohlsein macht sich breit bei mir, ich fühle mich beobachtet, es ist schwierig zu beschreiben. Von hier an gibt es kein Zurück mehr, um halb 5 geht es mit Zwischenstopp in Lagos unweigerlich nach Accra, Ghana. Allein schon die Tatsache, dass plötzlich alle schwarz sind, ist unglaublich. Und ich habe nun wirklich keine rassistischen Vorurteile.
Wieder die Fragen, was wird mich erwarten, komme ich mit der Situation zurecht, sind alle nett, finde ich etwas, das ich essen kann. Ein weiterer Schwarzer kommt und lässt sich im Warteraum nieder. Mir scheint, dass er argwöhnisch meinen Laptop ansieht. Vielleicht täusche ich mich auch. Aber es ist wohl besser, ich packe ihn wieder weg. Wir wollen das Bild vom reichen Europäer ja nicht unnötig fördern.
Wahrscheinlich habt ihr nun eher die ersten Eindrücke erwartet, Erlebnisse, vielleicht sogar die ersten Fotos. Doch ich muss erstmal alles verdauen und ordnen, um es euch dann in verdaulicher Form präsentieren zu können. Das braucht Zeit. Und die hab ich.
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Ein Nachwuchs-Journalist versucht, auf unterhaltsame und nachdenkliche Weise seine Erfahrungen während drei Monaten in Ghana zu schildern.
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