Ein Stück Europa

» gepostet am Datum28.04.07 um Zeit11:53 Uhr

Das Warten ist unerträglich. Draußen scheint die Sonne, so wie eigentlich immer, das Restaurant wird vom Sonnenlicht durchflutet, gleichzeitig regelt die Klimaanlage die Temperatur auf angenehme zwanzig Grad herunter. An den anderen Tischen sitzen viele Weiße; Chinesen, Engländer, Libanesen. Auf dem Flachbildschirm, der an der Wand hängt, ist gerade Bob Sinclairs "Love Generation" zu sehen; ich muss an den letzten Sommer denken.

Endlich kommt ein junger Kellner, der vom Aufzugher auch im Footlocker arbeiten könnte, stellt Wasser, Cola und drei Teller auf den Tisch. Cheeseburger mit Pommes. So alltäglich und doch unglaublich. Zwei Lagen Fleisch, leicht zerlaufener Käse, Zwiebeln, Tomaten, Ketchup, das Ganze zwischen zwei Brötchenhälften. Ein ganz normaler Cheeseburger eben.
Der erste Biss ist unglaublich. Mir kommt es vor, als hätte ich noch nie einen Burger gegessen, gleichzeitig bin ich mir sicher, seit fast drei Monaten nicht mehr so etwas Leckeres gegessen zu haben. Gut, Jollof Rice und Red-Red sind ja auch ganz lecker. Aber eher zweite Liga. Wobei ein Cheeseburger locker in der Champions League spielt. Die Vorstellung, dass ich in nicht einmal zwei Wochen all das und noch viel mehr jeden Tag haben kann, ist mehr als surreal.

Zwei Wochen noch. Oder vielmehr, eine Woche und vier Tage. Elf Tage. Da kann man sich schon langsam mal überlegen, wie das dann so werden soll, wieder daheim. Mit Asphalt, Busfahrplänen und Öffnungszeiten. Mit Schnitzel und Maultaschen. Mit Terminen, Hektik und Infrastruktur. Mit intakten Autos mit Gurt und funktionierendem Tacho. Mit mehr als zehn Straßenschildern pro Stadt. Mit regulierbarer Wassertemperatur. Überhaupt, mit fließend Wasser. Und täglich Strom.

Im Moment weiß ich eigentlich gar nicht, was ich denken soll. Ob ich mich auf zuhause freuen soll, ob ich traurig sein soll. Aber ich glaube inzwischen, drei Monate sind gut. Lang genug, um das Land kennen zu lernen, lang genug, um sich wieder richtig auf zuhause freuen zu können. Langsam macht sich auch fast schon Langeweile bemerkbar, auch wenn ich das nie für möglich gehalten hätte; aber irgendwie kennt man jetzt doch alles. Das Tro-Tro-Fahren, die lokalen Gerichte, die lokalen Produkte, die größten Städte, die Menschen, die Politik, die Probleme und die schönen Seiten.

Es herrscht hier auch nicht eben ein Übermaß an Vielfalt. Es gibt für so ziemlich alles ein Produkt. Wo es bei uns Mango-Passionsfrucht-Müsli-Joghurt mit einer knickbaren Ecke voll Schokobällchen gibt, gibt es hier: FanYogo. Künstlicher Erdbeerjoghurt im Beutel. Wo es bei uns Dove Superweich Aloe Vera Seife gibt, gibt es hier: Key Soap. Quadratisch, gelb, gut. Wo es bei uns Volvic, Teinacher, Gerolsteiner, Hirschquelle und Bonaqua gibt, gibt es hier: pure water. Ich entdecke inzwischen eigentlich kein Geschäft mehr, von dem ich nicht schon weiß, was es verkauft. Da gibt es die Com Centres, die Telefonkarten verkaufen, einige Läden für Autoteile, die Stände am Markt, die alles mögliche verkaufen, was man aber auch schon alles kennt, Chop Bars, deren Angebot auch keinen mehr überrascht.

Und auch die verblüffenden, überraschenden Situationen werden immer weniger. Gestern war mal wieder so ein Tag, da hatte der Enquirer einen Redaktionsbesuch. Also, es ist eben jemand in das Enquirer-Haus gekommen, "Redaktionsbesuch" ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber im Prinzip doch richtig. Der Besucher war der Botschafter von Kuba samt seinem Übersetzer. Selbiger hat dann erzählt, dass er die USA blöd findet, dass es Fidel gut geht, dass Fidel zwei Kilometer am Tag läuft (ob er das in seinem Adidas-Trainingsanzug tut, hat er nicht gesagt) und dass er hofft, dass Fidel noch lebt, bis Bushs Regierungsperiode abgelaufen ist. Danach freundliche Worte, shake hands und Botschafter samt Übersetzer wieder nach Hause.

Davon abgesehen passiert eigentlich kaum Aufregendes, was aber auch daran liegt, dass man mit der Gewissheit, in knapp zwei Wochen schon wieder nach Hause zu fliegen, nicht mehr die größten Aktivitäten plant. Mal hier an den Strand, mal da noch eine Postkarte oder ein Souvenir.

Es ist noch zu früh für Fazits. Zu früh für irgendwelche Schlüsse, zu früh für Trauer, zu früh für Freude. Das hat noch Zeit. Jetzt heißt es nur, die restliche Zeit genießen. Nochmal Strand. Vielleicht nochmal einen Besuch bei Fanmilk. Von allen verabschieden. Und dann schließlich zum Flughafen. Ins Flugzeug. Nach Mailand. Nach Deutschland. Da kann und wird man sich dann Gedanken machen. Aber jetzt ist es noch zu früh.





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