Zeitung in Ghana

» gepostet am Datum23.02.07 um Zeit11:55 Uhr

Dass hier alles ein wenig anders als in Europa ist, brauche ich wohl nicht mehr zu erwähnen. Und dass die ghanaische Zeitungsproduktion auch recht wenig mit der deutschen gemeinsam hat, ist wohl auch klar.

Am Dienstag war ich das erste Mal beim "Enquirer", der ghanaischen Zeitung, bei der ich die nächsten drei Monate arbeiten werde.
Die "Redaktion" ist ein kleines Apartment, das mitten in einem Wohnviertel von Accra liegt. Mit Küche, Garage und kleinem Garten. Außer einem kleinen "The Enquirer"-Schild neben der Haustür lässt eigentlich nichts darauf schließen, dass im Inneren eine Zeitung produziert wird. Tritt man durch die Eingangstür, befindet man sich in einem kleinem Raum mit zwei Sofas, einem Tisch und einer Art Theke. Das ist der Empfang.

Als ich um elf etwa mit meinem Betreuer dort ankomme, sitzen zwei Leute auf dem Sofa. Sonst keine Spur von irgendwelchen Redakteuren oder Mitarbeitern. Die zwei Leute sind Frank, der für die Verwaltung zuständig ist, und Freddy, ein Sportredakteur. Frank zeigt mir anschließend die Räumlichkeiten: Den Newsroom, bestehend aus einem Konferenztisch und einem länglichen Tisch mit vier Computern, die Küche, das Büro des Chefredakteurs, sein eigenes Büro und das Büro des Layouters. Dann ist Mittag angesagt, und Frank isst ein seltsames Gemüse mit scharfer Sauce. Während ich neben ihm sitze und mit der Frage beschäftigt bin, wie hier eine Zeitung produziert werden soll.

Frank erklärt mir dann die Abläufe. Einen ghanaischen Nachrichtendienst wie die deutsche dpa gibt es zwar, doch der "Enquirer" hat ihn nicht abonniert. Internetanschluss gibt es auch keinen; für internationale Recherche muss das Internetcafe herhalten. Die Zeitung hat 200 Abonnenten. Nein, da fehlt keine Null. Und doch eine Auflage von 20.000 in der Woche. Der "Enquirer" kommt montags und donnerstags raus. Montags und dienstags wird die Ausgabe für Donnerstag produziert, donnerstags und freitags die Montagsausgabe. Mittwochs nehmen die meisten frei. "Da gibt es dann nicht so viel zu tun", meint Frank. Zweifelsohne.

Gegen zwölf kommt ein Reporter in den Newsroom, setzt sich an einen Computer und beginnt zu schreiben. Frank setzt sich zu ihm, sie reden miteinander. Einen englischen Dialekt. Ich verstehe mal hier ein Wort, mal da ein Wort. Als Frank kurz in die Küche geht, frage ich den Neuankömmling, wie er heißt und ob er Redakteur ist. Marc heißt er, und ist Korrespondent aus Tema, einer benachbarten Stadt. Er schreibt einen Artikel über acht bewaffnete Kriminelle, die in Tema einen Überfall verübt haben. Ich frage ihn, wann der Überfall passiert sei. Marc meint, die Pressemitteilung sei letzten Freitag veröffentlicht worden. Eine andere ghanaische Zeitung hat bereits am Montag einen Artikel über den Vorfall veröffentlicht. Der "Enquirer" hätte die Geschichte somit am Donnerstag im Blatt. Ich frage vorsichtig, ob das nicht ein wenig spät sei. Doch, sagt Marc, der Chefredakteur müsse entscheiden, ob die Geschichte noch ins Blatt kommt.

Die anderen Redakteure seien alle unterwegs und suchten nach Neuigkeiten, erklärt mir Frank später. Journalismus von der alten Schule. Kein Internet, keine Pressedienste, hier und da mal eine Pressemitteilung oder ein Hinweis. Keine Fotografen. Keine Kameras. Nur eine Zeitung, bestehend aus etwa 16 Seiten, zweimal die Woche. Kein großartiges Layout, keine reißerischen Fotos. Pure Information.

Als ich gerade am Konferenztisch sitze und versuche, Parallelen zur deutschen Zeitungsproduktion zu finden, spricht mich ein großer, schlanker Mann an; der Leiter des Nachrichtenressorts, wie sich später herausstellt. "Do you like beer?", fragt er mich. Etwas irritiert sehe ich ihn an und antworte: "Yeah, I do." Er lächelt. "I do, as well! So, how many bottles can you drink at a time?" fragt er und lacht. Und mir wird klar, dass Zeitungsleute doch irgendwo alle gleich sind.





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