Goodbye, Ghana

» gepostet am Datum09.05.07 um Zeit13:18 Uhr

Acht Stunden bis zum Check-In. Elf Stunden bis Abflug. Unrasiert und ungeduscht, dank Strom- und Wasserausfall. Schuhe geputzt, vom shoeshine-boy, für 2000 Cedi. Koffer gepackt, die Klamotten eher als Schutz für Souvenirs und Mitbringsel benutzt als mit dem Gedanken, sie je wieder zu tragen. Dennoch rechne ich in Anbetracht meiner kaum vorhandenen Packkünste mit einer Souvenirverlustrate von etwa 20 Prozent. Aber ich hab ja genug davon.

Mein letzter Tag. Am Sonntag das letzte Mal Oldtimers, gestern das letzte Mal Kokrobite, das letzte Mal Essen von Comfort. Heute das letzte Mal beim Enquirer, Abschiedsessen. Das letzte Mal Banku mit Palmnut Soup. Letzte, letzter, letztes. Und doch kommt es mir noch nicht so vor, als wäre morgen alles vorbei.

Über Nacht von einer Welt in die andere. Von Kindern mit zerrissenen Klamotten und ausgeleierten Flip-Flops zu Kindern mit Denim-Jeans und Playstation Portable. Von tropisch zu gemäßigt, von schwarz zu weiß. Von Reis mit Eintopf zu Schnitzel mit Pommes. Von geteilter ISDN-Geschwindigkeit zu WLan-DSL. Von Tro-Tro zu Beinfreiheit und Klimaanlage. Von "Obruni, where are you going?" zu Ignoriert werden. Von alt und dreckig zu neu und sauber.
Ein Abschied schmerzt immer, auch wenn man sich schon lange darauf freut, hat einmal jemand gesagt. Ich will weder bleiben noch gehen. Mir wird von hier genauso viel fehlen wie ich von zuhause vermisse. Aber was will man machen - alles hat ein Ende. Nur die Wurst hat zwei. Hmm, Wurst.

Man wird oft gefragt, was man denn dann macht, wenn man wieder zuhause ist. In meinem Fall wird das erst einmal essen sein. Alles und von allem viel. Was das erste sein wird, weiß ich noch nicht, aber so wichtig ist das auch nicht. Nach dem ganzen Essen sollte ich mich dann wohl wieder mal ein wenig sportlich betätigen. Ich werde alles an House-Tracks nachholen, was ich in den drei Monaten verpasst habe und wieder Vinyl und EQ-Regler unter den Händen haben. Dem europäischen Nachtleben frönen, deutsches Bier und Cocktails trinken. Einigen Leuten Hallo sagen, die mich zuhause vermissen lassen.

Und was passiert mit dieser Webseite? Es wird noch einen Epilog geben, aus der europäischen Welt, ein kleines FAQ, dann wird das Blog geschlossen, aber es bleiben natürlich alle Einträge weiterhin verfügbar, Kommentare und Gästebucheinträge sind immer willkommen.

Abschließend möchte ich medase sagen, meinen Eltern, Freunden, Bekannten und Verwandten für sämtliche Unterstützung, allen meinen Chefs, allen Lesern dieses Blogs; ich hoffe, ich konnte euch das Leben in Ghana etwas näher bringen, auch wenn man noch so viel darüber lesen kann und die eigene Erfahrung immer eine andere ist. Medase an das Enquirer-Team, David, Ben, Godfred, Egypt, Patrick, Freddy, Raymond. Medase an alle Ghanaer, die ich hier kennen gelernt habe und die mir bei diesem und jenem geholfen haben, Nabosco, Emile, Italy, Rizzi. Ein symbolisches medase an alle Hiplife-Künstler, Sean Paul und Seeed, für den passenden Soundtrack. Medase an imodium akut und Perenterol. Medase an Anas und Daniell, die zwar nicht immer alles im Griff haben, letztendlich aber doch irgendwie alles funktioniert. Und schließlich ein riesengroßes Medase an die Bewohner des Praktikaweltenhauses, die den Aufenthalt hier zu einem Vergnügen machen. Auf dass wir uns irgendwo und irgendwann wiedersehen.





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Go Liverpool

» gepostet am Datum02.05.07 um Zeit14:03 Uhr

Als Drogba in der 115. Minute an der Chance zum 1:1 vorbeischlittert, geht ein Raunen durch das kleine Freiluftkino. An die 150 Ghanaer haben sich eingefunden, um die Partie Chelsea - Liverpool zu verfolgen, um Drogba und Essien anzufeuern oder doch für Liverpool zu sein. Hauptsache Fußball.

Doch das Drama will kein Ende nehmen, kein Tor fällt in der Nachspielzeit, es geht ins Elfmeterschießen. Liverpool hält, Liverpool trifft. Und noch einmal. Liverpool gewinnt. Das Freiluftkino teilt sich in Freude und Trauer, in Dasitzen und Kopfschütteln und Umher rennen, Pfeifen und Glocke läuten. Alles für 5000 Cedi, knapp 50 Cent. Sogar Popcorn gibt es, allerdings nur salziges.

Außer Liverpool gab es gestern noch mehr zu feiern, nämlich den Maianfang. "May day" heißt das hier, warum eigentlich auch nicht, liegt ja nahe. Wieder einmal haben sich Tausende am Independence Square eingefunden, um den ersten Mai zu feiern. Diesmal ist es allerdings nicht ganz so schlimm wie am Tag der Unabhängigkeit, man kann sich noch frei bewegen und sogar einen Platz auf der Tribüne ergattern.

Zahlreiche Firmen und Geschäfte haben sich eingefunden, alle tragen einheitliche, meist weiße Kleidung mit Firmenlogo und der Aufschrift "May day". Toyota ist da, der Daily Graphic, das Fastfood-Restaurant "Papaye" und unzählige andere. Viele mit Transparenten und Schildern, manche mit Werbung, manche mit Parolen. "Pay realistic tarifs", verlangt einer, "Thank you president for our jobs", sagt ein anderer. Es gibt Yogo, Kokosnüsse, Wakye, Eis. Zumindest eine Art Eis.

Sogar der Präsident ist da, mit Strohhut, weißem Hemd und schwarzer Hose. Er erzählt etwas, das man kaum versteht, hinterher erfahren wir, dass die meisten enttäuscht sind, weil er wichtige Themen wieder nicht angesprochen, weil er wieder um das Wesentliche drum herum geredet hat. Man kann wirklich nicht behaupten, dass viele Ghanaer mit der Regierung zufrieden seien.

Nun ist also Mai, heute schon der zweite. Heute kann man auch mal wieder ins Internet, nach abschnittsübergreifendem Stromausfall, nach Netzwerkproblemen und Feiertag. Mittlerweile kann man gar nicht mehr genau sagen, wann es Strom gibt und wann nicht, der Wasserpegel des Akosombo-Damms fällt und fällt, mindestens jeden zweiten Tag gibt es keinen Strom, manchmal länger, manchmal kürzer. Wann sich die Lage bessert, weiß keiner, die Politik denkt über den Einsatz von Atomenergie nach, Schwachsinn, sagen andere, das würde mindestens zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bis das einsatzbereit wäre.

Mittlerweile geht hier alles seinem Ende zu. Vorgestern die vorletzte Malariatablette, heute das vorletzte Mal Waschen, abends das letzte Mal Oldtimers. Der erste Abschied, von DJ Nabosco, der inzwischen sogar sein eigenes Intro hat und mir eine CD mit allen aktuellen Hiplife-Songs gebrannt hat. Heute nochmal zum Friseur, am Freitag noch ein paar Souvenirs, am Samstag den letzten Ausflug, am Sonntag das letzte Mal zum Kokrobite-Strand. Am Montag der letzte Tag beim Enquirer. Am Dienstag der letzte Abend hier im Haus. Am Mittwoch der letzte Tag in Ghana. Am Donnerstag schon zuhause. Home, sweet home?





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Ein Stück Europa

» gepostet am Datum28.04.07 um Zeit11:53 Uhr

Das Warten ist unerträglich. Draußen scheint die Sonne, so wie eigentlich immer, das Restaurant wird vom Sonnenlicht durchflutet, gleichzeitig regelt die Klimaanlage die Temperatur auf angenehme zwanzig Grad herunter. An den anderen Tischen sitzen viele Weiße; Chinesen, Engländer, Libanesen. Auf dem Flachbildschirm, der an der Wand hängt, ist gerade Bob Sinclairs "Love Generation" zu sehen; ich muss an den letzten Sommer denken.

Endlich kommt ein junger Kellner, der vom Aufzugher auch im Footlocker arbeiten könnte, stellt Wasser, Cola und drei Teller auf den Tisch. Cheeseburger mit Pommes. So alltäglich und doch unglaublich. Zwei Lagen Fleisch, leicht zerlaufener Käse, Zwiebeln, Tomaten, Ketchup, das Ganze zwischen zwei Brötchenhälften. Ein ganz normaler Cheeseburger eben.
Der erste Biss ist unglaublich. Mir kommt es vor, als hätte ich noch nie einen Burger gegessen, gleichzeitig bin ich mir sicher, seit fast drei Monaten nicht mehr so etwas Leckeres gegessen zu haben. Gut, Jollof Rice und Red-Red sind ja auch ganz lecker. Aber eher zweite Liga. Wobei ein Cheeseburger locker in der Champions League spielt. Die Vorstellung, dass ich in nicht einmal zwei Wochen all das und noch viel mehr jeden Tag haben kann, ist mehr als surreal.

Zwei Wochen noch. Oder vielmehr, eine Woche und vier Tage. Elf Tage. Da kann man sich schon langsam mal überlegen, wie das dann so werden soll, wieder daheim. Mit Asphalt, Busfahrplänen und Öffnungszeiten. Mit Schnitzel und Maultaschen. Mit Terminen, Hektik und Infrastruktur. Mit intakten Autos mit Gurt und funktionierendem Tacho. Mit mehr als zehn Straßenschildern pro Stadt. Mit regulierbarer Wassertemperatur. Überhaupt, mit fließend Wasser. Und täglich Strom.

Im Moment weiß ich eigentlich gar nicht, was ich denken soll. Ob ich mich auf zuhause freuen soll, ob ich traurig sein soll. Aber ich glaube inzwischen, drei Monate sind gut. Lang genug, um das Land kennen zu lernen, lang genug, um sich wieder richtig auf zuhause freuen zu können. Langsam macht sich auch fast schon Langeweile bemerkbar, auch wenn ich das nie für möglich gehalten hätte; aber irgendwie kennt man jetzt doch alles. Das Tro-Tro-Fahren, die lokalen Gerichte, die lokalen Produkte, die größten Städte, die Menschen, die Politik, die Probleme und die schönen Seiten.

Es herrscht hier auch nicht eben ein Übermaß an Vielfalt. Es gibt für so ziemlich alles ein Produkt. Wo es bei uns Mango-Passionsfrucht-Müsli-Joghurt mit einer knickbaren Ecke voll Schokobällchen gibt, gibt es hier: FanYogo. Künstlicher Erdbeerjoghurt im Beutel. Wo es bei uns Dove Superweich Aloe Vera Seife gibt, gibt es hier: Key Soap. Quadratisch, gelb, gut. Wo es bei uns Volvic, Teinacher, Gerolsteiner, Hirschquelle und Bonaqua gibt, gibt es hier: pure water. Ich entdecke inzwischen eigentlich kein Geschäft mehr, von dem ich nicht schon weiß, was es verkauft. Da gibt es die Com Centres, die Telefonkarten verkaufen, einige Läden für Autoteile, die Stände am Markt, die alles mögliche verkaufen, was man aber auch schon alles kennt, Chop Bars, deren Angebot auch keinen mehr überrascht.

Und auch die verblüffenden, überraschenden Situationen werden immer weniger. Gestern war mal wieder so ein Tag, da hatte der Enquirer einen Redaktionsbesuch. Also, es ist eben jemand in das Enquirer-Haus gekommen, "Redaktionsbesuch" ist vielleicht etwas hoch gegriffen, aber im Prinzip doch richtig. Der Besucher war der Botschafter von Kuba samt seinem Übersetzer. Selbiger hat dann erzählt, dass er die USA blöd findet, dass es Fidel gut geht, dass Fidel zwei Kilometer am Tag läuft (ob er das in seinem Adidas-Trainingsanzug tut, hat er nicht gesagt) und dass er hofft, dass Fidel noch lebt, bis Bushs Regierungsperiode abgelaufen ist. Danach freundliche Worte, shake hands und Botschafter samt Übersetzer wieder nach Hause.

Davon abgesehen passiert eigentlich kaum Aufregendes, was aber auch daran liegt, dass man mit der Gewissheit, in knapp zwei Wochen schon wieder nach Hause zu fliegen, nicht mehr die größten Aktivitäten plant. Mal hier an den Strand, mal da noch eine Postkarte oder ein Souvenir.

Es ist noch zu früh für Fazits. Zu früh für irgendwelche Schlüsse, zu früh für Trauer, zu früh für Freude. Das hat noch Zeit. Jetzt heißt es nur, die restliche Zeit genießen. Nochmal Strand. Vielleicht nochmal einen Besuch bei Fanmilk. Von allen verabschieden. Und dann schließlich zum Flughafen. Ins Flugzeug. Nach Mailand. Nach Deutschland. Da kann und wird man sich dann Gedanken machen. Aber jetzt ist es noch zu früh.





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